Samstag, 14. August 2010

SUMMERTIME: Philadelphia - still very hot and sometimes awful cold!

Foto: Philadelphia skyline with William Penn atop town hall/ Ben Tibbetts, RichardMarcJ on en.wikipedia

Philadelphia hat neben seiner eindrucksvollen Historie als einstige Hauptstadt der USA und Ort der Verkündung der Unabhängigkeitserklärung am 04. July 1776 auch den Beinamen "City of Brotherly Love" - ein Markenzeichen, das mittlerweile viele Gruppierungen für sich reklamieren. 
Auch die Schwarze Bürgerrechtsbewegung, die "Black Panther" und andere Aktivisten und Streetfighter haben in Philadelphia Siege errungen über das weiße Establishment und ebensoviele schwere Wunden davongetragen im endlosen Kampf gegen Rassismus und für die Bürgerrechte:

  • Philadelphia 1964 Race Riot (1964): Rassenunruhen in Nordphiladelphia, gravierende Zerstörungen, Vielzahl von Verletzten. Wichtiger Anstoß für die Bürgerrechtsbewegung
  • Mumia Abu-Jamal (1981): als Mörder des Polizisten Daniel Faulkner verurteilt, weltweite Anteilnahme
  • MOVE (1978, 1985): Anarcho-ökologische Schwarze Bewegung, mehrfach tödliche Auseinandersetzungen mit der Polizei im Umfeld von Hausbesetzungen und -Räumungen
 Philadelphia – Wikipedia

Wenn auch viele Amerikaner glauben, dass es heute vorwiegend ruhig und (touristen-)freundlich zugeht in ihrer beliebten Ostküstenmetropole am Delaware-Fluß, so zeigt nicht nur die hohe Zahl an Schwarzen Mordopfern und die allgemeine Kriminalitätsrate, dass die Vergangenheit noch längst nicht bewältigt ist. Gerade in diesen Tagen konnte man an zwei aktuellen Ereignissen erkennen, dass diese gewalttätige und kalte Zeit von damals durchaus ihre Fortsetzung im Hier und Jetzt findet.


Mumia Abu Jamal ist mehr als andere Journalisten in diesem Fall der kompetente Berichterstatter, denn er war Teil der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Schwarzen Aktivisten. Sein Schicksal wurde in den Strassen von Philadelphia besiegelt als der damalige Radio-Reporter beschuldigt wurde, einen Polizisten getötet zu haben: Mumia Abu Jamal wurde zum Tode verurteilt - und kämpft bis heute mit weltweiter Unterstützung um ein faires, neues Gerichtsverfahren, bei dem er seine Unschuld endlich beweisen kann.

Harry Belafonte spricht für Mumia Abu Jamal/www.peoplesvideo.org/pvtv_1.htm

Die deutsche Zeitung "Junge Welt" engagiert sich nicht nur seit Jahren in vorbildlicher Weise für den Schwarzen Journalisten und seinen Freiheitskampf, sie gibt ihm auch regelmäßig Gelegenheit, in einer Kolumne seinem Beruf nachzugehen, sein Wissen einzubringen und seine persönliche Erinnerung für alle lebendig zu halten. Die folgenden zwei Artikel von Mumia Abu Jamal sind im Ganzen der "Tageszeitung Junge Welt" entnommen, die sich auch sonst Themen wie Rassismus, Afrika und "Black America" in bemerkenswertem Maße annimmt:

 14.08.2010: Black August (Tageszeitung junge Welt)
BLACK AUGUST

Wenige Tage nach ihrer Haftentlassung starb die Freiheitskämpferin Marilyn Buck

Von Mumia Abu-Jamal
Anfang November 1979 tauchten an vielen Häuserwänden in den USA Parolen auf, die Assata Shakur, einem zu lebenslanger Haft verurteilten Mitglied der Black Panther Party und der im Untergrund agierenden Black Liberation Army, signalisieren sollten, daß ihr Sprung in die Freiheit begrüßt wird und sie an vielen Orten Schutz und Unterstützung findet: »Assata is welcome here!« Am 2. November 1979 war Assata Shakur die Flucht aus dem Frauengefängnis von Clinton im US-Bundesstaat New Jersey geglückt. Nachdem sie schon sieben Jahre Haft von ihrer lebenslangen Freiheitsstrafe verbüßt hatte, war es ihr gelungen, dem Gefängnis mit Hilfe eines aus schwarzen und weißen Revolutionären bestehenden Kommandos durch eine List und ohne Anwendung von Gewalt zu entfliehen.

Foto: Marilyn Buck/ thecahokian.blogspot.com/
Im Rahmen einer langjährigen Repressionswelle des FBI wurde 1985 auch die untergetauchte weiße Antiimperialistin Marilyn Buck verhaftet und unter anderem wegen des Vorwurfs, an Assata Shakurs Befreiung beteiligt gewesen zu sein, angeklagt. Weil zwischenzeitlich offenbar geworden war, daß Assata Shakur als geachtete Repräsentantin der afroamerikanischen Bevölkerung sicher im politischen Asyl in Kuba lebte, rächte sich die US-Justiz an jenen, derer sie habhaft werden konnte. Marilyn Buck wurde zu 80 Jahren Haft verurteilt. Während der Jahrzehnte als politische Gefangene im US-Bundesgefängnissystem fing sie an zu schreiben und verfaßte mehrere Bücher und eine Vielzahl von Gedichten über die Lage ihrer Mitgefangenen, aber auch über andere politische Gefangene und aktive Kämpfer für die Sache der Befreiung der Schwarzen. Aus dem Jahr 2000 stammt ihr Gedicht »Black August« (Schwarzer August), in dem sie über den Monat schreibt, in dem alljährlich der Männer und Frauen aus dem schwarzen Freiheitskampf gedacht wird. Darin heißt es:

»Stell dir vor, du hängst am Rand einer Klippe / 
messerscharfes Gestein schlitzt dir deine Finger auf /
Schließer trampeln dir mit ihren Komißstiefeln deine Finger blutig / und schreien dir hämisch lachend zu: / 
»Laß schon los und krepier! Fahr zur Hölle, krepier endlich!« / Würdest du das aushalten 20 Jahre, 30 Jahre lang? / 
Schon 20 Jahre, 30 Jahre und mehr /
sind tapfere schwarze Brüder begraben /
in US-Konzentrationslagern / 
und sie lassen nicht los / 
sind das schwarze Licht, das in den Folterkammern leuchtet / 
(...) und ihr Widerstand nimmt ständig zu: Black August. /
Nat Turner, Anführer des Sklavenaufstands, hingerichtet: Black August. /
Jonathan und George Jackson starben im Kampf: Black August. / Fred Hampton, Black Panther, African Brotherhood, ermordet: Black August. / 
Kuwasi Balagoon, Nuh Abdul Quyyam, gefangene Krieger, gestorben im Knast: Black August. / 
Harriet Tubman, Sojourner Truth, Ella Baker, Ida B. Wells/ 
Queen Mother Moore – kämpfend gegen den Tod bis zum letzten Atemzug: Black August. / 
Black August: Losung des schwarzen Freiheitskampfs für die Befreiung der Menschheit / 
Schwert zum Zerschlagen der Ketten / 
Licht, das die Kinder aller Nationen in ein Leben in Sicherheit führt. / 
Gedenken wir des Black August / um uns dem ameriKKKanischen Alptraum unseres Lebens zu widersetzen.«

Marilyn Buck wurde am 15. Juli 2010 nach 25 Jahren krank aus der Haft entlassen. Kaum in Freiheit, verstarb die 62jährige nach nur 19 Tagen an den Folgen einer Krebserkrankung, die hinter Gittern nicht angemessen behandelt worden war. Linda Evans, selbst eine frühere langjährige politische Gefangene, gab der Öffentlichkeit bekannt, Marilyn sei am 3. August 2010 »friedlich und im Kreis ihrer Freunde« gestorben. Bis zum Schluß sei sie von ihrem revolutionären Geist beseelt gewesen.

Marilyn Buck mußte so viele Jahre in Haft zubringen, weil sie den schwarzen Befreiungskampf unterstützt hatte, was sie für das weiße Amerika zu einer »Verräterin« machte, für die es keine Gnade gibt. Wie der weiße Farmer und Gegner der Sklaverei John Brown vor dem amerikanischen Bürgerkrieg für seine schwarzen Brüder und Schwestern kämpfte und dafür 1859 gehenkt wurde, so kämpfte auch Marilyn Buck für die, die in Unfreiheit leben.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Marilyn Buck - encyclopedia article about Marilyn Buck.

Foto: The Philly Bombings/News One for Black America/

 
 Keine Frage der Zeit (Tageszeitung junge Welt/31.07.2010)

KEINE FRAGE DER ZEIT

Warum ein Gericht in der US-Stadt Philadelphia einen Bombenabwurf von 1985 nicht verfolgt

Von Mumia Abu-Jamal
Vor kurzem haben Mitglieder der antirassistischen Organisation Move in Philadelphia bei Gericht eine Mordanklage gegen Beamte der Stadt eingereicht. Der zuständige Staatsanwalt beantragte deren Niederschlagung und verwies dabei auf den langen Zeitraum, der seit den Ereignissen verstrichen sei, nämlich 25 Jahre.

Am 13. Mai 1985 hatte die Polizei von Philadelphia auf Anordnung von Bürgermeister W. Wilson Goode eine Bombe aus einem Hubschrauber auf das damalige Move-Hauptquartier in West-Philadelphia abwerfen lassen. Elf Angehörige der darin lebenden Kommune, darunter fünf Kinder, kamen in der Feuersbrunst um. Diese zerstörte nicht nur das Move-Gebäude völlig, sondern griff auch auf 61 Nachbarhäuser über und machte 250 Menschen obdachlos.


Der Vorsitzende Richter Frank Palumbo schloß sich nun der Argumentation der Staatsanwaltschaft an und wies die Klage ab. Dramatisch an dieser Entscheidung ist auch, daß dieselbe Behörde, die hier mit dem »langen Zeitraum« argumentierte, in einem anderen Fall alle Hebel in Bewegung setzte, um einen Mann nach 44 Jahren noch wegen Mordes auf die Anklagebank zu bringen. Dabei hatte der jetzt 74jährige William J. Barnes aus Philadelphia bereits sechzehn Jahre wegen versuchten Mordes an dem Polizeibeamten Walter T. Barclay im Gefängnis gesessen. Er war verurteilt worden, 1966 bei einem gescheiterten Einbruchsversuch auf den Beamten geschossen zu haben. Barclay war seitdem querschnittsgelähmt.

Als er 2007 an einer Blaseninfek­tion verstarb, sah die Staatsanwaltschaft darin eine Spätfolge der 1966 durch William J. Barnes erlittenen Verletzung. Sie ließ deshalb den alten Mann, der in einem Supermarkt arbeitete und an der Temple University und in Haftanstalten Vorträge über seine Abkehr von einem Leben als Straftäter hielt, erneut verhaften und stellte ihn unter Anklage – diesmal wegen Mordes. Die Vehemenz, mit der hier ein fragwürdiges Gerichtsverfahren auch noch nach 44 Jahren betrieben wurde, wird verständlicher, wenn man weiß, daß Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt wurde, den »Polizistenmörder« Barnes nicht davonkommen zu lassen. Das geschah durch die ultrakonservative Standesorganisation der Polizei, die Fraternal Order of Police (FOP).

Nach dem Freispruch von Barnes verließ Barclays Schwester Rosalyn Harrison in Begleitung des FOP-Präsidenten John McNesby den Gerichtssaal und beschimpfte den Freigesprochenen mit »Du Bastard!« McNesby nannte den Freispruch »unglücklich« und kündigte an, seine Organisation werde bei der zuständigen Bewährungskommission dafür sorgen, daß Barnes nicht freikäme. Zynischerweise wurde Barnes erst nach seiner Verhaftung im Jahr 2007 dem Vorwurf ausgesetzt, gegen frühere Bewährungsauflagen verstoßen zu haben, weshalb zurückliegende Strafaussetzungen widerrufen worden waren.

An dem Verfahren gegen Barnes wird deutlich, daß es für die Staatsanwaltschaft bei ihren Entscheidungen pro oder kontra Mordanklagen nicht wirklich um Zeitfragen geht. Der Grund, warum die von Move betriebene Mordanklage für Staatsanwaltschaft und Gericht nicht justitiabel war, liegt woanders: Die Täter 1985 waren in ihrer Mehrzahl Polizisten und die Opfer waren Schwarze, mittellos und Mitglieder einer bei den Staatsschützern verhaßten Organisation. Soviel zu dem Leitsatz, vor dem Gesetz seien alle gleich.

Ramona Africa, eine von zwei Überlebenden der mörderischen Polizeiattacke auf das Move-Haus, verbrachte sieben Jahre im Gefängnis. Als sie damals vor Gericht forderte, die Verantwortlichen für den Bombenabwurf auf die Anklagebank zu bringen, erklärte der Staatsanwalt gegenüber den Geschworenen: »Um deren Schicksal werden sich andere Richter und Jurys kümmern«. Das ist 25 Jahre her und einer dieser Richter hat nun entschieden, daß das einfach viel zu lange her ist. Aber auch davon wird Move sich nicht unterkriegen lassen.
Übersetzung: Jürgen Heiser

MOVE Bombing Haunts Philly 25 Years Later 


Philly Neighborhood Still Hurt From Police Bomb That Blew Up 61 Home



Free the MOVE 9/AOL/BV Black Spin

Fotos: Thank you! Dankeschön!
1. Philadelphia skyline with William Penn atop town hall/ Ben Tibbetts, RichardMarcJ on en.wikipedia
2. Foto vom Video Harry Belafonte spricht für Mumia Abu Jamal/www.peoplesvideo.org/pvtv_1.htm
3. Marilyn Buck:  thecahokian.blogspot.com/
4. The Philly Bombings/News One for Black America/
5. Free the MOVE 9/AOL/BV Black Spin
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