Montag, 20. Dezember 2010

Schwarz in Europa: Kältetod in Dänemark

Obdachlose Ausländer in Kopenhagens Nachtasyl "En Varm Seng" / Foto, Danke!: lilleskvat.blogspot.com


Wer schnell und unkompliziert die Ehe schließen will, für den  ist Dänemark seit langem ein Begriff. Hochzeiten, bei denen ein Partner aus dem Ausland kommt oder bei denen hier oder anderswo die Papiere (noch) nicht ausreichen würden, werden dabei bei unserem nördlichen Nachbarn besonders unkompliziert behandelt: ein Grund für viele Paare ins idyllische Dänemark zu reisen – und das Hochzeitsgeld dort auszugeben.

Weit weniger offen ist Dänemark allerdings für andere Ausländer, vor allem im eiskalten Winter und für jene ohne Geld - jene nämlich, die obdachlos geworden sind in Margaretes schönem Königreich. Seit 2007 gibt es dort ein hammerhartes Gesetz, das es ausdrücklich verbietet, Menschen ohne Dänische Staatsangehörigkeit in Obdachlosenheimen und Kälte-Asylen aufzunehmen, was bislang zu elf kältetoten Ausländern geführt hat.

Wie die TAZ aktuell berichtet, halten sich alle dänischen Hilfsorganisationen an dieses unmenschliche Gesetz, schließlich soll es u.a. die unangenehmen Ausländer fern halten aus dem kleinen, aber feinen Dänemark. 


Eine Frau allerdings widersetzt sich dem Verbot – wirksam, laut und öffentlich: April Chris, eine in Dänemark lebende Amerikanerin. Sie hat im letzten Jahr spontan ein improvisiertes Asyl geschaffen, in das nun jede eiskalte Nacht die obdachlosen Ausländer Kopenhagens strömen. Ihr privat und von Spenden finanziertes Haus hat bislang stets mit den Behörden zusammen gearbeitet, sagt Chris:"..., um offenzulegen, dass wir kein Unterschlupf für Kriminelle sind, wie uns immer wieder vorgeworfen wird."

April Chris/Foto, Danke!: S: Offentlige herberg til udenlandske hjemløse - Politiken.dk
Vor kurzem besuchte die Ministerin für Soziales demonstativ die Einrichtung und äußerte sich im Anschluß vernichtend über die Aufnahmepraxis dort. Sie behauptete tatsächlich, dass osteuropäische kriminelle Banden das Asyl gewohnheitsmäßig als Hauptquartier mißbrauchen würden. Die Leiterin April Chris verteidigte ihr Obdachlosenheim und ihre dringend notwendige Arbeit wenig später gegenüber der Ministerin in einem TV-Duell. 

Spenden werden sortiert und verteilt / Foto, Danke!: sletogret.dk

Nur wenige Tage später allerdings gab es im "En Varme Seng" eine nächtliche Polizei-Razzia, bei der 69 der etwa einhundert anwesenden Obdachlosen (aus EU-Europa und aller Welt) aus ihren warmen Betten gezerrt und abgeführt wurden. Zusätzlich wurde das Haus nach Drogen und Diebesgut durchsucht. Den Festgenommenen (mehrheitlich aus Afrika und aus Osteuropa) drohte neben drei Tagen Sofort-Haft die umgehende Abschiebung. Einge der Betroffenen waren zum Zeitpunkt der Razzia bettlägerig krank, andere leiden unter Behinderungen. Menschen aus Afrika z.B. sind den ungewohnten Minusgraden in unseren Breiten völlig hilflos ausgeliefert, was ein ungeschütztes Übernachten in jedem Fall verbietet. 
 
Das Medienecho war -je nach Prägung des Blattes - gewaltig. Zahlreiche Privatpersonen und Organisationen sagten spontan ihre Unterstützung und/oder Spenden zu.

Nächtliche Razzia im "En Varm Seng" / Foto, Danke!: bt.dk

Am per Gesetz manifestierten Prinzip wird sich aber auch in Zukunft wohl kaum etwas ändern. Der Konsens der christlich-konservativen Regierung mit dem ansonsten so freundlichen dänischen Volk ist in dieser Sache offensichtlich. Und wer sonst schaut schon ernsthaft nach Dänemark, wenn es um soziale, menschliche und gesetzliche Missstände geht - in dieser vor Elend und Ungerechtigkeiten nur so strotzenden Welt. 

Als Spende dem Asyl zur Verfügung gestellt: Porträt von Ebrima Bah, Bild des dänischen Malers Calle Jensen /callejensen.dk

Möglicherweise bringt es die Dänen dann aber doch zum Nachdenken (und mehr?!), wenn die vielen leicht verdienten Euros der zahlungsfreudigen Touristen und langjährigen Feriengäste- auch der Hochzeitspaare! - nicht mehr ganz so leicht und unkommentiert in Königin Margaretes Staatskasse landen. Manch europäisch (oder einfach nur menschlich!) denkender Mensch könnte sich ja gerade zu Weihnachten durchaus massiv gestört fühlen von soviel Unmenschlichkeit und gesetzlicher Kälte im idyllischen EU-Partnerland Dänemark. So sehr gestört, dass er persönliche Konsequenzen ziehen wird.


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