Von Dietmar Ostermann/FR-online.de
Als der Gefängnisarzt Ronnie Lee Gardner 17 Minuten nach Mitternacht für tot erklärte, hatte sich dessen blauer Häftlingsanzug längst tiefrot gefärbt. Blut trat aus der Brust aus, unter der kleinen Zielscheibe, die man über seinem Herzen angebracht hatte. Vier Schüsse trafen ihn dort. Der fünfte Schütze im Todeskommando hatte durch die Scharte in der Wand eine Platzpatrone auf Häftling Nummer 14873 abgefeuert. Damit jeder der fünf Polizisten, die sich freiwillig zur Hinrichtung gemeldet hatten, fortan mit dem Gedanken leben konnte, er sei es ja vielleicht nicht gewesen, der Ronnie Lee Gardner erschoss.
Die blutige Szene spielte sich in der Nacht zum Freitag im US-Staat Utah ab, in der Todeskammer von Draper, einem Vorort der Olympiastadt Salt Lake City. Es war das erste Mal seit 1996, dass in den USA ein Häftling durch ein Erschießungskommando hingerichtet wurde. Nur der Mormonenstaat Utah in den Rocky Mountains wendet diese Hinrichtungsmethode noch an. Auch dort ist sie ein Auslaufmodell: Lediglich Todeskandidaten, deren Urteil vor 2004 gefällt wurde, können wählen zwischen Giftnadel und Kugelhagel.Ronnie Lee Gardner war so ein Fall. 1985 war er für einen Mord im Gerichtssaal zum Tod verurteilt worden. Dort sollte er sich eigentlich wegen Ermordung eines Barkeepers verantworten. Während der Verhandlung versuchte Gardner zu fliehen. Mit einer eingeschmuggelten Pistole erschoss er im Chaos den Rechtsanwalt Michael Burdell, der sich hinter einer Tür zu verstecken versuchte. Die Kugel traf Burdell ins Gesicht.
Ein Vierteljahrhundert später, als die Vollstreckung des Todesurteils angesetzt wurde, äußerte Gardner vor zwei Monaten den Wunsch, ebenfalls durch die Kugel zu sterben: "Ich möchte das Erschießungskommando, bitte." Zugleich versuchten seine Anwälte weiter, durch Gnadengesuche und Eilanträge die Hinrichtung zu verhindern. Womöglich, spekulierten US-Zeitungen, habe Gardner gehofft, bessere Chancen zu haben, einer Exekution zu entgehen, wenn er sich für das blutige Spektakel entscheide.
Mehrere US-Gerichte hatten zuletzt nach Pannen auch Giftinjektionen als unzulässig grausam gewertet. Alle Bemühungen seiner Anwälte aber halfen nichts. Auch das Verfassungsgericht in Washington, die letzte Instanz, sah in der Nacht zum Freitag keinen Grund, die Hinrichtung zu unterbinden. Richterin Sonia Sotomayor, voriges Jahr von Präsident Barack Obama an den Supreme Court berufen, lehnte einen Aufschub ab.
So nahm in der Todeskammer von Draper ein grausames Ritual seinen Lauf. Am Dienstag bereits hatte Gardner seine Henkersmahlzeit verspeist, Steak, Hummerschwanz, Apfelkuchen, Vanille-Eis. Danach fastete er. Der 49-Jährige las Bücher und E-Mails, schaute sich im Beisein eines mormonischen Geistlichen auf dem Zellenfernseher alle drei Teile der Trilogie "Herr der Ringe" an.
Als man ihn schließlich im Hinrichtungsraum auf einen Stuhl vor einer Wand aus Sandsäcken schnallte und bevor man ihm eine Kapuze über den Kopf zog, wurde er gefragt, ob er ein letztes Wort an diese Welt richten wolle. "Ich will das nicht", antwortete Gardner. Der Countdown begann bei fünf. Bei zwei fielen die Schüsse...
Auch in den Vereinigten Staaten hat diese Hinrichtung Schlagzeilen gemacht, schon Wochen vor dem angesetzten Termin diskutierte das ganze Land vor allem über die vom Todeskandidaten ausdrücklich gewünschte Erschießung. Und auch nach dem Vollzug sind viele Amerikaner noch immer verblüfft, manche sogar reglerecht geschockt. Wie soll man sich das denn eigentlich vorstellen, so fragt sinngemäß der prominente Polit-Blogger Field Negro, im richtigen Leben ist er Anwalt. Dass es noch Executionskommandos gäbe in USA im Jahre 2010 sei ihm bislang trotzdem nicht bekannt gewesen. Wer sich wohl zu so einem Einsatz freiwillig melde?!
field negro: "The first thing we do let's kill all the lawyers"
Noch sehr viel befremdlicher fand der US-Blogger allerdings, dass der Gouverneur von Utah den Vollzug der Erschießung locker-modern und sehr fröhlich der Presse mitteilte - per Tweet, also schnell und unkompliziert auf Twitter.
Utah Attorney General Tweets Execution By Firing Squad
By Jayson McNamara/News One for Black America
The State of Utah’s June 18 execution of Ronnie Lee Gardner broke ground in American history as the first execution by firing squad in 14 years and as the first to be ‘tweeted’ across the world by the attorney general who approved the final stage of death.
Attorney General Mark Shurtleff used his Apple iPhone to confirm that he had given permission to execute the two-time convicted murderer by publishing a live update on the Twitter account, #MarkShurtleff:
“I just gave the go ahead to Corrections Director to proceed with Gardner’s execution. May God grant him the mercy he denied his victims.”
The decision to publish the ‘tweets’ online has evoked some staunch criticism of both Shurtleff and the practice of capital punishment in general.
Twitter users and online news consumers have compared America to third world dictatorships, where executions by firing squad would be permitted under elements of the law.
One online commentator claimed, “The death penalty is the greatest blot on the world’s greatest nation.”
Others have directed their disgust at Attorney General Shurtleff, referring to him as “repulsive” and “perverse.”
Shurtleff posted another two tweets before the execution:
“We will be streaming live my press conference as soon as I’m told Gardner is dead. Watch it at www.attorneygeneral.Utah.gov/live.html.”
And, “A solemn day. Barring a stay by Sup Ct, & with my final nod, Utah will use most extreme power & execute a killer. Mourn his victims. Justice.”
He is not the first political figure to be criticized for the questionable use of a Twitter account....
Todesstrafe: Verurteilter Mörder bettelt um Erschießung
WELT.online
...Am Tag der Hinrichtung tritt der zum Tode Verurteilte vor ein Erschießungskommando aus fünf Schützen, das fünfmal in Folge auf den auf einem Stuhl Gefesselten und mit einer Kapuze bedeckten Todeskandidaten feuert, wie die Zeitung „The Salt Lake City Tribune“ (Online-Bericht hier) berichtete. Dabei ist ein Gewehr der Schützen nur mit Platzpatronen geladen.
Die bislang letzten beiden durch Erschießen hingerichteten Todeskandidaten in Utah waren 1996 John Albert Taylor, der für die Vergewaltigung und Ermordung einer Elfjährigen verurteilt worden war, und 1977 Gary Gilmore. Gilmores Schicksal wurde von dem Schriftsteller Norman Mailer in seinem preisgekrönten Buch „The Executioner’s Song“ von 1979 („Gnadenlos“, 1979) verarbeitet.
USA - Todeskandidat will im Kugelhagel sterben
Von FOCUS-Korrespondent Peter Gruber, Washington
....Gardner wird an Armen und Beinen festgeschnallt auf einem Holzstuhl in der 42 Quadratmeter großen Hinrichtungskammer des Staatsgefängnisses in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah sitzen. Er wird dunkle Anstaltskleidung tragen. Unmittelbar vor der Exekution werden ihm Wärter eine schwarze Kapuze über den Kopf ziehen und ein weißes Stück Stoff an die linke Brust heften. Als Zielscheibe.
Auch der Schießbefehl steht bereits fest: „Fertig, zielen, Feuer!“ Es sind die letzten Worte, die Gardner in seinem Leben hören wird, wenn ihn der Gouverneur von Utah, Gary Herbert, nicht doch noch begnadigt.
Wenige Minuten später wird ein Arzt seinen Tod feststellen. Am frühen Freitagmorgen, kurz nach Mitternacht, soll das passieren. Es ist das erste Mal seit 14 Jahren, dass ein zum Tode verurteilter Straftäter in den USA erschossen wird.
„Schritt in die Vergangenheit“
Ronnie Lee Gardner hat es selbst so gewollt. Die Gefängnisbehörden von Utah haben ihm die Wahl zwischen Kugel und Todesspritze gelassen. Gardner wählte die Kugel. „Ich möchte bitte durch ein Erschießungskommando sterben“, beschied er im April dem zuständigen Richter. Warum, das haben bisher weder er noch seine Anwälte gesagt.
Viele Todesstrafengegner in den USA klagen die Exekution als Akt der Barbarei an. „Ein Erschießungskommando ist völlig archaisch“, meint Bischof John C. Wester von der katholischen Diözese Salt Lake City. „Es verkörpert pure Gewalt.“
Auch Richard Dieter, Direktor des „Death Penalty Information Center“ in der Hauptstadt Washington, das landesweit Todesstrafen und Exekutionen erfasst, zeigt sich besorgt: „Das ist ein klarer Schritt zurück in die Vergangenheit. Viele Leute werden sich jetzt kopfschüttelnd fragen, wie können wir nur so etwas heute noch tun?“
„Seine Brust war mit Blut bedeckt“
Sogar überzeugte Befürworter der Todesstrafe, wie die Republikaner-Abgeordnete Sheryl Allen, sind gegen die Hinrichtung durch Erschießen – wenn auch aus anderen Gründen: „Damit verlagert sich die Aufmerksamkeit doch nur vom Opfer auf den Täter“, befürchtet sie.
Die Kritik ist auch an der Regierung von Utah nicht spurlos vorbeigegangen. Immerhin ist man neben Oklahoma der einzige Bundesstaat, in dem es diese Exekutionsmethode noch gibt. In Oklahoma ist sie nur eine theoretische dritte Alternative für den Fall, dass Gerichte einmal sowohl die Todesspritze als auch den elektrischen Stuhl für verfassungswidrig erklären könnten.
Die bisher letzte Exekution durch Erschießen fand am 26. Januar 1996 statt, ebenfalls in Salt Lake City. Damals hieß der Todeskandidat John Albert Taylor. Der 32-Jährige war wegen Vergewaltigung und Mordes an einem elfjährigen Mädchen zum Tode verurteilt worden. Über 150 Fernsehteams aus aller Welt berichteten über die Hinrichtung: „Als ihn die Kugeln trafen, hat er seine Hände unter den Fesseln angespannt, fallenlassen und noch einmal angespannt“, beschrieb ein Zeuge: „Seine Brust war mit Blut bedeckt.“
Begnadigung vor Hinrichtung abgelehnt: US-Häftling droht Erschießung
Utah: Keine Gnade für Todeskandidaten
Todesstrafe in Amerika: Häftling soll am Freitag erschossen werden
Hinrichtung in Utah: Erst "Herr der Ringe", dann die Todesschüsse
US-Hinrichtung: Zuletzt schaute sich Gardner "Herr der Ringe" an
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Tod durch Erschießen
Hinrichtung im US-Bundesstaat Utah: Tödliche Schüsse statt Giftspritze
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Exekution in Utah: Erschießungskommando richtet Doppelmörder hin
USA: Mörder durch Erschießungskommando hingerichtet
Todeskandidat entschied sich für die Kugel: USA richten Ronnie Lee Gardner hin
Hinrichtung - Tödliche Kugeln für einen Mörder
Todesstrafe in den Vereinigten Staaten – Wikipedia
Hintergrund - Die Todesstrafe in den USA
Wikipedia: Prominente Kritiker der Todesstrafe:
Angela Davis, Bürgerrechtlerin
Danny Glover, US-amerikanischer Schauspieler
Michael Moore, Dokumentarfilmer und Autor
Susan Sarandon, amerikanische Schauspielerin
Patti Smith, Musikerin
Bruce Springsteen, Musiker
Weltweit mehr als 700 Hinrichtungen
Amnesty: Mindestens 714 Menschen in 18 Ländern hingerichtet
Todesstrafe – Wikipedia
Weltkongress gegen die Todesstrafe
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